Flugzeuge hat der Flughafen Cochstedt seit einigen Jahren kaum gesehen. Statt großer Ferienflieger drehen hier nun Drohnen ihre Runden. Diese Woche nun sollte das Nationale Erprobungszentrum für unbemannte Luftfahrtsysteme eigentlich offiziell eröffnet werden. Die anhaltende Corona-Pandemie hat dies verhindert. Geforscht wird aber trotzdem schon.
Die Chronik des Flughafens Magdeburg-Cochstedt liest sich ein bisschen wie das Grimmsche Märchen von Dornröschen: Nach jahrelangem Schlaf wird die Prinzessin von einem Prinzen wach geküsst und erwacht dadurch zu neuem Leben. In diesem Fall ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) der Prinz und der kleine Flughafen im Salzlandkreis die Prinzessin.
Schon seit einigen Monaten drehen vor allem kleine Drohnen rund um den einstigen Regional-Airport ihre Runden – zu Forschungszwecken. Anfang Mai hatte das DLR den Testbetrieb hier wieder aufgenommen, nachdem die Wissenschaftler das Areal im Jahr zuvor aufgekauft haben, um es zum Nationalen Erprobungszentrum für Unbemannte Luftfahrtsysteme auszubauen.
Wandel vom Militär- zum Verkehrsflughafen
Dass auf dem kleinen Flugfeld – nur wenige Kilometer westlich von Staßfurt gelegen – aber überhaupt noch einmal im großen Stil geflogen wird, daran hätte vor einigen Jahren niemand mehr zu glauben gewagt. Cochstedt wurde 1957 von den Streitkräften der Sowjetunion zunächst als Luftwaffen-Stützpunkt errichtet. Erst Anfang der 1990er Jahre wurde der Airport mit Millionensummen für eine zivile Nutzung als Regionalflughafen umgebaut.
Doch die großen Airlines machten um den zum „Airport Magdeburg Cochstedt International“ getauften Flughafen von Beginn an einen großen Bogen. Auch aus einem geplanten Drehkreuz für große Frachtflugzeuge wurde nichts. Lediglich der irische Billigflieger Ryanair flog regelmäßig von und nach Cochstedt. Doch auch die Iren stellten 2013 ihre Flüge ein. Seitdem gab es keine regelmäßigen Flüge mehr. Vereinzelt starteten zwar noch Chartermaschinen zu diversen Urlaubszielen, doch auf der Start- und Landebahn des Platzes blieb es die meiste Zeit über ruhig.
Kaum Flüge am Airport
Das zeigt auch die Statistik der Deutschen Flugsicherung (DFS). Die DFS zählt alle Flüge in Deutschland, die nach sogenannten Instrumentenflugregeln durchgeführt werden – größtenteils sind das Flüge von Fluggesellschaften und Geschäftsflugzeugen. So zählten die Lotsen im letzten Betriebsjahr 2016 gerade einmal etwa 500 solcher Flugbewegungen in Cochstedt. Zum Vergleich: Am nahe gelegenen Flughafen Leipzig/Halle wurden im selben Jahr fast 75.000 Starts- und Landungen verzeichnet. Kein Wunder also, dass Cochstedt Ende 2016 mit Aussetzen der Betriebsgenehmigung vorübergehend geschlossen wurde.
Dass die Betriebsgenehmigung nur ausgesetzt und nicht gleich gelöscht wurde, sollte sich einige Jahre später als großes Glück für den Airport herausstellen. Denn als das DLR gerade auf der Suche nach einem Areal für das aufzubauende Drohnen-Erprobungszentrum war, fiel der Blick relativ schnell auf Cochstedt, erklärte Rolf Henke. Er ist beim DLR als Vorstand zuständig für Luft- und Raumfahrt. Einer der unschlagbaren Vorteile war die dünn besiedelte Umgebung, ein anderer der voll ausgebaute Flugplatz mit Start- und Landebahn, Tower, Terminal und vor allem: die ausgesetzte, aber noch immer bestehende Betriebserlaubnis.
Keines der anderen Objekte hatte auch nur annähernd so gute Voraussetzungen wie Cochstedt.
Rolf Henke | DLR-Vorstand für Luftfahrtforschung und -technologie
Das DLR kaufte den Flugplatz und konnte bereits während des Aufbaus des Drohnen-Testzentrums eine ganze Reihe von Forschungsflügen in Cochstedt durchführen. Dabei ging es zunächst vor allem um den Lärmschutz. Dafür wurde das DLR-eigene Forschungsflugzeug, ein Airbus A320 mit neuen Bauteilen ausgestattet, um den Lärm während der Starts und Landungen zu reduzieren. Dadurch können Empfehlungen an die Luftfahrtindustrie geliefert werden, wie sich Flugzeuge sinnvoll nachrüsten lassen, um leiser zu werden.
An dem nationalen Erprobungszentrum in Cochstedt soll in Zukunft aber vor allem an und mit Drohnen geforscht werden. Dem DLR zufolge soll auf dem kleinen Flugplatz zudem eine Schnittstelle für die Forschung auf dem Gebiet der unbemannten Flugobjekte in Deutschland entstehen. Denn nicht nur die 18 Einrichtungen des DLR werden hier forschen und erproben, sondern auch Firmen aus der freien Wirtschaft. Sie können nicht nur die Infrastruktur des Flughafens nutzen, sondern auch Zulassungsverfahren für eigene Drohnen durchlaufen.
Drohnen und Flugzeuge
Der erste Forschungsschwerpunkt liegen dem DLR zufolge nun aber darin, Drohnen oder auch unbemannte Lufttaxis in den normalen, bemannten Flugverkehr zu integrieren. Zahlreiche Zwischenfälle in den letzten Jahren zeigen, wie brisant dieses Thema ist. So haben Verkehrspiloten allein im vergangenen Jahr 125 Behinderungen durch Drohnen im deutschen Luftraum gemeldet. Die kleinen Flugobjekte können vom Bordradar nicht erfasst werden und sind in der Regel zu klein, um von einem Piloten früh genug gesehen zu werden.
Eine Kollision mit einer Drohne könnte ein Flugzeug dabei schwer beschädigen. Das haben Wissenschaftler der University of Dayton vor zwei Jahren in einem Crashtest nachgewiesen. Die Forscher feuerten eine 1 Kilogramm schwere Amateurdrohne mit rund 380 Stundenkilometern auf die Tragfläche eines Leichtflugzeugs. Dabei drang die Drohne so tief in die Struktur der Tragfläche ein, dass sie eine Querstrebe beschädigte. Wäre es in der Luft zu dieser Kollision gekommen, hätte das fatale Folgen für die Sicherheit des Flugzeugs gehabt.
„Drohnen haben riesiges Potential“
In Zukunft sollen in Cochstedt aber auch eigene Drohnen entwickelt werden. So will das DLR auch sein eigenes ALAADy-Projekt in die Luft bringen: Eine bis zu 500 Kilogramm schwere Drohne – ein Tragschrauber, der bis zu 200 Kilogramm Ladung transportieren kann.
Thomas Jarzombek (CDU), der Koordinator für Luft- und Raumfahrt im Bundeswirtschaftsministerium sieht in solche Drohnen auch einen hohen gesellschaftlichen Nutzen: „Schnell, zuverlässig und kostensparend können solche Drohnen sogar Menschenleben retten, etwa bei Medikamentenlieferungen. Aber auch in der Landwirtschaft, beim Umweltschutz oder beim Handwerk haben Drohnen riesiges Potenzial.“ Zudem liefere der Drohnenmarkt große Wachstums-, Innovations- und Jobpotenziale.
Letzteres dürfte auch Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) freuen. Er erwartet, dass Cochstedt zum Zentrum einer „echten Zukunftstechnologie“ wird, das „hervorragende Möglichkeiten bietet, weitere innovative Unternehmen anzusiedeln und mit der Wissenschaft im Lande zu vernetzen“. So seien auch schon zwei gemeinsame Professuren mit der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg geplant.