Die Deutsche Bahn ist auf der Suche nach neuen Mitarbeitern. Alleine in diesem Jahr sollen über 20.000 neue Mitarbeiter eingestellt werden. Damit das gelingt, kommt die Bahn mit einem Bewerbezug direkt zu den künftigen Kollegen. Kann das funktionieren? Ein Selbstversuch.
Fragt man kleine Kinder nach ihrem Berufswunsch, dann wird man meist Pilot, Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau zu hören bekommen. Aber auch der Lokführer steht bei den Kleinen hoch im Kurs. Eigentlich beste Voraussetzungen für die Deutsche Bahn, Nachwuchs für die Schiene zu finden. Doch schon seit Jahren plagen den Staatskonzern große Personalsorgen. Egal ob Zugbegleiter, Fahrdienstleiter oder eben Lokführer – Eisenbahner fehlen an fast allen Ecken und Enden des Unternehmens.
Die Deutsche Bahn ist der Konzern, der im vergangenen Jahr die meisten Stellen inseriert hat. Mit 454.000 Anzeigen für 68.700 Positionen liegt die Bahn vor Rewe und der Service Planet GmbH, eine Agentur für Direktmarketing. Bis Ende 2023 stellte die Bahn eigenen Angaben zufolge fast 30.000 neue Arbeitskräfte ein. Dieses Jahr sucht der bundeseigene Konzern Personal in einer ähnlichen Größenordnung.
500 Berufe im Angebot
Die Bahn wirbt daher derzeit offensiv unter anderem mit einer Serie von Plakaten um Auszubildende und Quereinsteiger. Außerdem hält in vielen Regionen immer mal wieder ein sogenannter Bewerberzug. Berufs- oder Quereinsteiger können sich dort über Jobs und Ausbildungsmöglichkeiten bei der Deutschen Bahn informieren. Auch Vorstellungsgespräche sind in dem umgebauten Triebwagen möglich. Über 500 unterschiedliche Berufe bietet die Bahn derzeit an. Vom Techniker bis hin zum klassischen Lokführer ist da so ziemlich alles dabei, was man sich vorstellen kann.
Traumberuf: Lokführer
Doch nun zum Selbstversuch: Für mich stand weder der Techniker noch der Fahrdienstleiter auf der Wunschliste. Ich wollte bei der Job-Tour der Bahn meinen Kindheitswunsch erfüllen und endlich Lokführer werden. Pünktlich um 10 Uhr stand ich hochmotiviert und mit meinen vorbereiteten Bewerbungsunterlagen bei der Bahn bereit – und durfte erstmal warten. Denn offenbar war ich nicht der einzige, der sich heute seinen Berufswunsch erfüllen wollte.
Dabei gab ich mich aber nicht als Journalist zu erkennen. Schließlich wollte ich sehen, ob es auch als normaler Quereinsteiger möglich ist, schnell einen Platz auf der Lok zu ergattern. Mit einem guten Dutzend anderer Bewerber – meist Männer – musste ich mich aber zunächst gedulden, ehe es ein erstes Vorstellungsgespräch gab.
Keine Bewerbung an nur einem Tag
Nach einigen Minuten konnte ich einer Bahn-Personalerin dann meinen bisherigen Lebenslauf kurz schildern und ihr von meinem Berufswunsch aus Kindertagen erzählen. Und ich war nicht der erste, dem es mit dem Wunsch, Lokführer zu werden, so ging wie mir, versicherte sie mir.
Allerdings dämpfte sie auch gleich meinen morgendlichen Übermut: Denn der Weg in das Führerhaus einer Lokomotive würde etwas länger dauern als nur ein Tag. Trotzdem war ich noch immer fest entschlossen, am Ende meines Besuchs auch eine Job-Zusage in der Tasche zu haben.
Nach einer weiteren kurzen Wartezeit konnte ich dann mit einer Jobberaterin der Bahn sprechen, die sich offensichtlich auf die Anwerbung zukünftiger Lokführer spezialisiert hat. Denn was sie mir alles über den Beruf des Lokführers erklärte, ließ mich fast ein wenig zweifeln, ob das wirklich was für mich ist.
Als Lokführer fährt man nicht nur einfach die Züge von A nach B. Man muss auch mit allen technischen Einrichtungen der Züge vertraut sein, im Schichtbetrieb arbeiten und ist deutschlandweit unterwegs. Das hab ich mir ehrlich gesagt alles ein wenig familienfreundlicher vorgestellt.
Aber schon die Ausbildung hat es in sich. Als Quereinsteiger müsse ich zwar keine komplette Berufsausbildung mehr machen, aber um eine zwölfmonatige Umschulung könne auch ich mich nicht drücken.
Anspruchsvolle Ausbildung
Dort würde ich nicht nur die Grundregeln des Eisenbahnbetriebs erlernen. Auch das Lesen von weit über hundert verschiedenen Signalen und viele Stunden im Fahrtsimulator stünden dann für mich auf dem Programm. Ein schneller Weg in das Führerhaus einer tonnenschweren Lok ist also erstmal ausgeschlossen.
Vor Beginn einer Umschulung zum Lokführer will die Bahn zudem erstmal wissen, wem sie ihre wertvollen Maschinen anvertraut. Die Jobberaterin erklärt mir, dass ich deshalb an einem Auswahltest teilnehmen müsse und auch ein psychologisches Gutachten brauche.
Denn um eine Lok auf dem über 30.000 Kilometer umfassenden Schienennetz der Deutschen Bahn fahren zu könne, brauche man im wahrsten Sinne des Wortes Nerven aus Stahl.
Während ich meinem Kindheitstraum heute vielleicht nur ein kleines Stück näher gekommen bin, können sich andere Besucher der Job-Tour tatsächlich über einen neuen Job freuen – zumindest wenn sie keine Lokführer werden wollen.