Wie das Deutschlandticket technisch funktioniert – oder auch nicht

Das Deutschlandticket wird von sehr vielen Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünden in Deutschland ausgegeben. Und alle Tickets sollen auch überall gelten. Wie das technisch funktionieren soll und warum es in der Realität aktuell noch nicht so gut funktioniert, erfahrt ihr hier.

Wie ihr sicher aus unseren Folgen herausgehört habt, bin ich leidenschaftlicher Bahnfahrer. Aus diesem Grund habe ich mir natürlich mit Freude das neue 49-Euro-Deutschlandticket gekauft. Und weil ich es bei einem lokalen Unternehmen kaufen wollte, hab ich es mir bei den Koblenzer Verkehrsbetrieben (Koveb) geholt.

Bekommen habe ich – mega extrem digital – ein PDF mit einem Code, wie man ihn auch von den Online-Tickets der Deutschen Bahn her kennt. Ich habe mir das ausgedruckt und fahre seitdem mit dem Ticket.

Nur: Bis jetzt hat noch kein einziger Zugbegleiter der Deutschen Bahn mein Ticket in seinem Lesegerät scannen können und hat etwas anderes als einen Error-Code angezeigt bekommen. Das bedeutet: In den Zügen der DB-Regio kann keiner überhaupt überprüfen, ob ich ein gültiges Zugticket habe. Schon krass. Inzwischen habe ich das bei etwa 15 Zugbegleitern erlebt, ob es ein altes Gerät oder ein Neues ist, ist dabei komplett unerheblich. Und ganz offenbar ist nicht nur die DB betroffen. Auch in der Hessischen Landesbahn war das so, aber da habe ich nur ein Sample-Size von eins.

Text auf einem Handy:
"Barcode unbekannt
Barcode konnte nicht gelesen werden - unbekanntes Barcodeformat. Bitte Sichtkontrolle durchführen. Fehler: Kontrolle-03
OK
FN ERSTELLEN"
Das wird den Zugbegleitern der Bahn bei meinem 49-Euro-Deutschlandticket angezeigt.

Von einem Kollegen weiß ich: Die Koveb ist auch nicht das einzige Verkehrsunternehmen, dessen Tickets im Zug nicht funktionieren.

Welches Deutschlandticket funktioniert nicht in der Bahn oder an anderen Stellen? Schreib uns einen Kommentar oder eine E-Mail an feedback@verkehrt.org

Wer ist Schuld: Die Koveb oder die Bahn?

Bis jetzt durfte ich immer weiterfahren, die Zugbegleiter reagieren darauf sehr kulant, was laut Bahn-Pressestelle auch eine Vorgabe der Bahn an ihr Personal ist: „Zunächst bis zum 31. Mai wird auch die Bestellbestätigung bzw. das bisherige Abo-Ticket als gültigen Fahrausweis anerkannt.“ Doch trotzdem hat mich jetzt die Neugier gepackt und auch die Möglichkeit daraus eine Geschichte zu machen. Woran liegt das eigentlich?

Die Bahn-Pressestelle war erst keine große Hilfe, ich wollte es ja technisch wissen: „Das Deutschland-Ticket wird von vielen Verkehrsunternehmen ausgegeben und diese Unternehmen verwenden jeweils unterschiedliche Kontrollsysteme. Daher können vorübergehend Fehlermeldungen bei der Ticketkontrolle auftreten.“ Gut, das hab ich mir denken können und selbst genau so erlebt.

Weitergeholfen hat in diesem Fall der Dienstleister der Koveb für das Deutschlandticket, die IVU Traffic Technologies.

Auf dem Bild sieht man ein Handy mit einem Deutschland-Ticket in der DB-Navigator-App.
Bild: Deutsche Bahn AG / Dominic Dupont

Die Bahn hat auf ihren Geräten einfach mal kein Update gemacht

Herausgekommen ist folgendes: Die Bahn ist Schuld. Denn die hat einfach keine Updates gemacht auf ihren Geräten. Das hat mir erst IVU gesagt, die Bahn hat es mit danach auf Anfrage auch bestätigt.

Das Update ist aber zwingend notwendig, damit vor allem Deutschlandtickets von Anbietern gelesen werden können, die mit dem Deutschlandticket neu am Markt sind: Wie die Koveb, deren sonstige Tickets bis jetzt immer vom Verkehrsverbund Rhein-Mosel ausgestellt wurden. Auf den Geräten der Bahn muss nämlich eine Liste sein, die die Koveb als vertrauenswürdigen Aussteller des Deutschlandtickets angibt. Diese Liste sei zum Verband deutscher Verkehrsunternehmen hochgeladen worden, sagen Koveb und IVU. Das hätte auch geklappt, weil diese Liste in die Lesegeräte der Koveb-Busse geladen worden sei. Und da wären die eigenen Zertifikate dabei.

Lustig: Die Koveb nutzt sogar den Bahn-eigenen UIC-Code

Kurios: Die Codes, die in der Bahn nicht funktionieren, sind sogar im Bahn-eigenen UIC-Standard erstellt worden, genau der mit dem auch die Codes für die Online-Tickets der Bahn erstellt werden, sagt mir IVU. Möglich wäre auch noch ein Code-Standard des VDV gewesen, wofür man aber wohl extra Hardware braucht, um entsprechende Token für die Verschlüsselung zu erstellen. Dieser funktioniert dann auch ohne positiv-Liste auf den Geräten. Die teure Hardware braucht der UIC-Bahn-Code nicht, aber eben dafür diese Liste auf den Geräten.

Ein Deutschlandticket kann in vier verschiedenen Standards ausgegeben werden

Laut IVU, die für mehrere Kunden das Deutschlandticket technisch umsetzen, kann das Ticket in vier verschiedenen technischen Standards ausgegeben werden:

  1. UIC-Code: Das ist ein Standard des Internationalen Eisenbahnverbands (Union Internationale des Chemins de fer). Die Deutsche Bahn ist da Mitglied. Fernverkehrs-Online-Tickets der DB sind zum Beispiel damit gemacht. Vorteil: Keine teure Hardware nötig. Nachteil: Kann nur gelesen werden, wenn eine Positiv-Liste mit Zertifikaten auf den Lesegeräten vorliegt. Das ist aktuell aber offenbar oft ein Problem. Kann auf Papier ausgedruckt werden. Es ist deswegen auch nötig, noch den Personalausweis zu checken.
  2. VDV-KA-Barcode: Dies ist ein Standard des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Er ist so gestaltet, dass er ohne Zertifikat vom Lesegerät gelesen werden kann, muss aber mit einer entsprechenden – und offenbar teuren – Hardware erstellt werden um die Sicherheit zu gewährleisten. Kann auf Papier ausgedruckt werden. Es ist deswegen auch nötig, noch den Personalausweis zu checken.
  3. VDV-KA-Karte: Dies ist der Standard des VDV für die Chip-Karten. Funktioniert sehr ähnlich, wie der ausdruckbare VDV-KA-Code, nur eben auf einem Chip auf einer Karte.
  4. VDV-Motics-Code: Dies ist der App-Standard des VDV. Dieser Code kann nicht kopiert oder ausgedruckt werden, weil er sich immer verändert, je nach Uhrzeit und Datum. Deswegen ist er besonders sicher und wird oft in Fahrkarten-Apps angezeigt. Die Koveb möchte demnächst gerne diesen Code ausgeben, wenn die eigene Deutschlandticket-App zur Verfügung steht. Es muss kein Personalausweis mehr kontrolliert werden, weil das Ticket nicht kopiert werden kann.

Es gibt also eine Vielzahl an Codes, die ausgegeben werden können und das macht es noch komplizierter.

11 Gedanken zu „Wie das Deutschlandticket technisch funktioniert – oder auch nicht

  1. Norman Antworten

    Kann man diese Deutschlandtickets eigentlich auch vollkommen anonym am Schalter bzw. Automaten mit Bargeld kaufen? Das wäre mir wichtig, wenn ich das irgendwann mal nutzen wollen sollte. Um eine Übertragbarkeit zu verhindern, sollte es genügen, den Namen aufs Ticket drauf schreiben zu müssen, so dass dieser bei der Kontrolle mit dem Namen auf dem Ausweis gegengeprüft werden kann. War ja beim 9€-Ticket letztes Jahr genauso.
    Und es hinterlässt halt keine Datenspur, das wäre das Gute daran…

    • Constantin Pläcking Autor des BeitragsAntworten

      Nein, das kann man nicht. Es handelt sich dabei ja um ein Abo. Dieses Abo muss man erstens mit irgendwas bezahlen, was schon eine Datenspur hinterlässt. Es gibt Anbieter, die das Ticket auf einer Karte anbieten, statt in einer App. Aber das ist sicher nicht anonym. Hat der Gesetzgeber so entschieden. Ich halte den Abo- und Digitalzwang auch für unnötig. (CP)

  2. Ronald Antworten

    Hallo,

    der DB zu unterstellen, ein für die Kontrolle notwendiges update nicht erledigt zu haben, ist unfair.
    Wie schon geschrieben, gibt es eine Vielzahl an Versionen und Ausprägungen des D-Tickets.
    Um nun alle diese Versionen auslesen zu können, müssen neben einer Systemertüchtigung Zertifikate, Schlüssel-Dateien … hinterlegt werden.
    Alle von den Herausgebern des D-Tickets zur Verfügung gestellten Dateien haben auch wir in unser Vertriebssystem (nicht DB) hochgeladen. Ob die Sammlung vollständig ist oder nicht, bleibt unbeantwortet. Etwa 80% der D-Tickets lassen sich auslesen, etwa 20% nicht.
    Ich habe sogar von Verkehrsunternehmen gehört, welche das D-Ticket überhaupt nicht auslesen können.

    Es handelt sich somit um ein allgemeines Problem, welches alle Verkehrsunternehmen gleichermaßen betrifft. Und genau so sollte es auch dargestellt werden.

    Viele Grüße

    • Constantin Pläcking Autor des BeitragsAntworten

      Hallo Ronald,
      ob es noch mehr Probleme gibt, kann ich nicht sagen. Das ist ja etwas, das ich sammel per Mail. Es würde aber dafür sprechen und das ist ebenfalls ein Problem. Ich kann es sicher recherchiert nur für das Deutschlandticket der Koveb sagen und für die Fahrten, die ich unternommen habe. Und das war fast ausschließlich in DB-Regio-Zügen, weil die hier einen großen Teil der Strecken bedienen. Noch in dieser Woche werde ich rausfinden, ob es bei transdev und National Express auch nicht klappt. Im Koveb-Bus hier in Koblenz hat es schon mal geklappt, was aber auch krass wäre, wenn nicht.

      Übrigens: Die Deutsche Bahn hat mir selbst auf Anfrage bestätigt, dass es am Update liegt und die DB ist im D-Ticket mit Abstand der größte Player.

  3. Denno84 Antworten

    Total mein Thema momentan!

    Der VDV hat vor einigen Wochem zu genau diesem Thema eine Mail an alle VU rausgehen lassen. O-Ton: Kontrolle klappt nicht, bitte maximale Kulanz walten lassen, wir müssen unser Gesicht vor Öffentlichkeit und Politik wahren…

    Reiner ABO-Vertrieb ist eine Farce. Bei uns im Ruhrgebiet gab es über 2 Wochen hinweg Schlangen mit bis zu 3 Stunden Wartezeit an den Bahnhöfen weil die Leute ihr Ticket eben nicht nur in der App möchten. Thema Schufa-Abfrage bei manchen VU mal ganz aussen vor. Warum keine Möglichkeit des normalen Ausdrucks wie beim 9€-Ticket? Für die Menschen die kein Abo wünschen (gibt’s genug von). Achja, stationärer Vertrieb ist ja nicht mehr gewünscht weil zu teuer, stimmt.

    Und zum Thema Barcodes:
    Viel beunruighender finde ich, dass die Bahn den Gültigkeitsstatus einer Fahrkarte auch im Fernverkehr grundsätzlich nicht prüfen kann. Der QR-Code wird lediglich ausgelesen und im MT wird daraufhin eine ID gespeichert. Ein Datenabgleich findet erst nach Schichtende statt, wenn die Kontrolleure ihre MT’S abgeben…

    Meine 2 Cent
    Schönen Tag noch euch 🙂

    • Constantin Pläcking Autor des BeitragsAntworten

      Vielen Dank für deine Rückmeldung und 2 Cent 🙂

    • Ronald Antworten

      „Viel beunruighender finde ich, dass die Bahn den Gültigkeitsstatus einer Fahrkarte auch im Fernverkehr grundsätzlich nicht prüfen kann. Der QR-Code wird lediglich ausgelesen und im MT wird daraufhin eine ID gespeichert. Ein Datenabgleich findet erst nach Schichtende statt, wenn die Kontrolleure ihre MT’S abgeben…“

      Mit dieser Formulierung hast Du Deine eigene Behauptung widerlegt. Erstens ist es kein QR-Code, sondern ein UIC-Barcode, zum anderen erfolgt eine nachträgliche Prüfung. Eine Live-Prüfung setzt eine sichere Online-Anbindung voraus, welche nicht immer gegeben ist. Zudem wäre ein gewisse Vorlaufzeit erforderlich.
      Die gängige Methode ist als gleichwertig zu bezeichnen.

      • John Antworten

        Guten Tag Roland, ich verstehe, dass Du als Bahnmitarbeiter Deinen Arbeitgeber schützen möchtest. Mit solchen Kommentaren schadest Du ihm aber leider mehr. Fehler passieren, statt sie mit gewagten Argumenten wegtreten zu wollen sollten wir lieber gemeinsam auf Lösungssuche gehen.

  4. Pingback: Geräte-Update fehlt: Probleme beim Scannen des Deutschlandtickets – IT Sicherheitsnews

  5. Nikolaas Antworten

    Aktuell (08.10.2023) ist es mit Tickets der GVH auch so.

    Die DB stellt fleißig EBEs aus, obwohl sie ja selbst Gesellschafterin der GVH ist und somit die „eigenen“ Tickets nicht erkennt.

    Nach zusätzlicher Bestätigung durch die ÜSTRA, dass das Deutschlandticket gültig ist, wäre man im Reisezentrum Hannover bereit gewesen, auf 7 Euro herunterzugehen, was natürlich abgelehnt wurde. Soll man jetzt pro Fahrt 7 Euro zahlen?

    Das Deutschlandticket ist also längst an der der Digitalsteinzeit der DB gescheitert.

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